Entscheidungen
 
Repräsentantenhaftung

1. Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. 

Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. 

Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen (in Anknüpfung an BGHZ 122, 250,252 ff. = VersR 1993, 828, 829; BGH Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229,1230 = NJW 1996, 2935, 2936; Senatsurteile vom 20. November 1998 - 10 U 1428/97 - NJW-RR 1999, 536 = NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231 und vom 22.12.2000 - 10 U 508/00 - NVersZ 2001, 325 = OLGR 2001, 353 = VersR 2001, 1507).
 
Der Versicherer ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aus denen auf eine Übernahme der Risikoverwaltung seitens des Ehemannes geschlossen werden kann. Es gibt zunächst keinen Anscheinsbeweis dafür, dass dem Ehemann der Versicherungsnehmerin allein aufgrund des Ehegattenverhältnisses die Risikoverwaltung für das versicherte Fahrzeug übertragen worden ist. Die Überlassung der Obhut über das Fahrzeug, auch für einen längeren Urlaub in Jugoslawien, genügt für die Annahme einer Repräsentantenhaftung allein nicht (Senatsurteil NJW-RR 1999, 536 = NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231; vgl. für den selbständigen Handelsvertreter z.B. Senatsurteil NVersZ 2001, 325 = VersR 2001, 1507 = OLGR 2001, 353).

2. Ist der Ehemann Eigentümer des von der Versicherungsnehmerin versicherten PKW's, handelt es sich hinsichtlich des Kaskorisikos um eine Versicherung für fremde Rechnung. Die Versicherungsnehmerin muss sich das grob fahrlässige Fehlverhalten ihres Ehemannes zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der Repräsentantenhaftung, aber nach § 79 VVG zurechnen lassen.

Oberlandesgericht Koblenz 
vom 12.03.2004, 10 U 550/03 = BeckRS 2004 30340451

 

Repräsentantenhaftung

1. Das Landgericht hat mit zutreffendem Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGHZ 122, 250, 255 ff) den Schwager der Klägerin als deren Repräsentanten angesehen, da er aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich ausübte. 

Eine Repräsentantenstellung des Dritten kann nicht nur dann angenommen werden, wenn sich der Versicherungsnehmer jeglicher Kontroll- und Zugriffsmöglichkeiten auf die versicherte Sache begeben hat, der Dritte völlig uneingeschränkt über sie verfügen kann. 

Das gilt zumal dann, wenn bei beweglichen Sachen - wie hier bei einem Fahrzeug - selbst vertraglich vereinbarte Kontroll- oder Zugriffsrechte in ihrer Durchsetzbarkeit faktisch ohnehin durch die alleinige Sachherrschaft des Dritten eingeschränkt werden. Es braucht auch nicht noch hinzuzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat (vgl. BGH NZV 1996, 447). Entscheidend ist vielmehr, dass der Dritte selbstständig und in nicht ganz unbedeutendem Umfang befugt ist, für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Davon aber ist hier nach den Feststellungen des Landgerichts auszugehen.

2. Das Landgericht hat auch zu Recht die Grundsätze der Repräsentantenhaftung auf den hier zu entscheidenden Fall angewendet. Grund der Haftungszurechnung ist es, den Versicherungsnehmer nicht dadurch besser und den Versicherer nicht dadurch schlechter zu stellen, dass er einen Dritten hinsichtlich der Gefahrenverwaltung an seine Stelle hat treten lassen. Dieser Zurechnungsgrund greift nicht nur dort, wo es um die Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Repräsentanten geht. Ihm ist vielmehr auch dann Rechnung zu tragen, wenn das vertraglich oder gesetzlich geschützte Interesse des Versicherers an der Einhaltung von Obliegenheiten gerade deshalb durch einen Dritten verletzt werden kann, weil der Versicherungsnehmer den Dritten in die Lage versetzt hat, selbstständig und in nicht unbedeutendem Umfang für ihn zu handeln, er ihm also die Risikoverwaltung übertragen hat. Auch Obliegenheitsverletzungen des Repräsentanten sind demgemäß dem Versicherungsnehmer zuzurechnen.

Zum Bereich der Risikoverwaltung im vorgenannten Sinne gehören alle Umstände, die mit der versicherten Sache in Zusammenhang stehen und auf die Versicherungsleistungen Einfluss haben können, insbesondere im Rahmen der sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Obliegenheiten. Im hier zu entscheidenden Fall liegt die Obliegenheitsverletzung in den objektiv unzutreffenden Angaben der Klägerin zu den Vorschäden am versicherten Fahrzeug, so dass eine Obliegenheitsverletzung der Versicherungsnehmerin selbst vorliegt. Hätte die Klägerin den Kaufvertrag über das versicherte Fahrzeug selbst abgeschlossen und damit Kenntnis von den Vorschäden erlangt, so wären ihre unzutreffenden Angaben unzweifelhaft als Obliegenheitsverletzung mit der Folge einer Leistungsfreiheit der Beklagten anzusehen.

Dieser Rechtsfolge kann sich die Klägerin aber nicht dadurch entziehen, dass sie den Kauf des Fahrzeuges einem Dritten überlässt und sich damit hinsichtlich etwaiger Umstände bewusst unwissend hält. Die Klägerin mag zwar bei Abgabe ihrer Erklärung selbst keine Kenntnis vom Umfang der Vorschäden gehabt haben, sie hätte sich derartige Informationen aber von ihrem Repräsentanten einholen können und müssen. Soweit dieser ihr gegenüber unzutreffende Angaben zum Zustand des versicherten Fahrzeugs gemacht haben sollte, muss sie sich dessen Wissen als das eines Wissensvertreters zurechnen lassen. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, dass der Schwager der Klägerin nicht bei der Beantwortung der Fragen im Schadensformular als Erklärungsvertreter eingesetzt worden war, für dessen Wissen sie nach § 166 BGB haften würde. Diese Norm ist nämlich Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung beauftragt, sich das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 166 Rn. 9; Stiefel/Hofmann, AKB, 17. Aufl., RN 56 zu § 6 VVG m. w. N.).

Durch diese Wissensvertretung unterscheidet sich der Fall auch entscheidend von der mit der Berufungsbegründung angeführten Fallgestaltung eines vom Vorbesitzer getäuschten, arglosen Käufers. Andernfalls würde die Klägerin dadurch besser gestellt und die beklagte Versicherung dadurch schlechter gestellt werden, dass die Klägerin einen Dritten hinsichtlich dieser gefahrerheblichen Umstände an ihre Stelle hat treten lassen, was aber durch die Grundsätze der Repräsentantenhaftung und den allgemeinen Rechtsgedanken zur Wissensvertretung gerade vermieden werden soll.

3. Nachdem sich die Klägerin aus den oben genannten Gründen das Wissen ihres Schwagers zum Vorschaden als Repräsentanten und Wissensvertreter zurechnen lassen muss, verbleibt es auch bei dem Grundsatz, dass die Klägerin für das Widerlegen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit beweisbelastet ist.

Oberlandesgericht Bamberg, 
Beschluss vom 04.10.2004 - 1 U 96/04 = BeckRS 2009 16615


zurück


Rechtsanwalt Markus Rustemeier - Impressum